Lieblingswörter: Warum warum die schönste und zugleich unangenehmste Frage ist.

Warum? Ich mag die Frage. Es gibt viele spannende Fragen. Was? Wer? Wo? Wann? Wie? Aber das „Warum?“ in all seinen Darreichungsformen ist meiner Meinung nach die spannendste von allen. „Wieso? Weshalb? Warum? Wer nicht fragt bleibt dumm!“ – diesen Satz kennen vermutlich alle, die in den Zeiten der Sesamstraße aufgewachsen sind. Aber habt ihr euch mal gefragt, warum ausgerechnet diese Fragewörter ausgewählt worden sind? OpenThesaurus liefert für „Warum“ unter anderem Weshalb und Wieso als Synonyme, weshalb also nicht andere Fragewörter mit aufnehmen. Die trivialste Antwort wäre vermutlich, das es einfach besser klingt, aber ich glaube „Was? Wohin? Warum? Wär nicht fragt bleibt dumm!“ würde dem in nichts nachstehen.

Die Frage nach dem Warum ist wohl die tiefgründigste Frage. Wie geht es nicht um äußere Umstände, nicht um bloße Fakten, hier geht es um Motive, hier geht es um Kausalität.
Ich bin mir sicher, 90% aller Leute die ich kenne schon mit dem Warum-Spiel genervt zu haben. Ein wohlplatziertes Warum, eine schnelle Antwort. Und ein erneutes Warum! Das Spiel kann man nahezu unendlich in die Länge ziehen. Zugegeben, es gibt ein paar mögliche Antworten, die das Spiel ganz schnell terminieren, aber die möchte ich an dieser Stelle nicht verraten, sonst macht das Spiel keinen Spaß mehr 😉

Ich mag die Frage nach dem Warum. Ich mag es sie anderen zu stellen, ich mag es die Frage von anderen gestellt zu bekommen und ich mag es, mir diese Frage hin und wieder selbst zu stellen. Die Frage nach dem Warum ist nämlich der beste Indikator für etwas, dass wir uns alle erhalten sollten: Die menschliche Neugier. Aber auch Neugier ist ein sehr vielschichtiger Begriff. Ich habe neulich nochmal eines meiner Lieblingsbücher zur Hand genommen, Sergej Lukianenkos „Spektrum“. Zugegeben, ein Buch, das die Leserschaft stark spaltet, von einigen als Meisterwerk gefeiert, von anderen mit dem wöchentlichen Tatort verglichen, aber ich mag es. In einer Passage stellt der Protagonist die These auf, dass es keine Neugier gibt.

»Es gibt keine ziellose Neugier. Wenn uns eure Motive interessieren, heißt das lediglich, dass wir die Lüge wittern. Das Unausgesprochene. Die Gefahr. Den entgangenen Gewinn.«

Lukianenko, Sergej. Spektrum: Roman (German Edition) (S.115). Heyne Verlag.

Zum Glück leben wir nicht in diesem Zeitalter, dieser Fiktion, die es allen Menschen ausgetrieben hat, echte Neugier an den Tag zu legen. Aber ein gewisser wahrer Kern bleibt erhalten. Telenovelas, Alltagstrott, Routinen. Einmal so richtig tief im Erwachsenenleben angekommen wird Neugier häufig lästig. Also weg damit?

Damit komme ich zur Kernfrage: Warum? Warum schreibe ich diesen Beitrag? Das s im bitsblog steht für Science und die Aufgabe eines jeden Wissenschaftlers, sei er Professor, Post-Doc, Doktorand oder auch nur gerade als Student mit seiner Abschlussarbeit beschäftigt, sollte es sein, sich stets mit dem tieferen Sinn hinter seiner Arbeit zu beschäftigen. Mit der Frage nach dem Warum eben. Wen bringt es weiter, diese Forschung zu verfolgen? Was erreicht man damit? Wie bringt das die Menschheit weiter? All diese vielen Fragen lassen sich im Warum vereinen.

Und weil das Warum so tief geht, ist es auch eine der unangenehmsten Fragen. Ein bisschen traurig ist es schon, aber manchmal unterdrücke sogar ich die Frage nach dem Warum. Weil sie gesellschaftlich nicht akzeptiert ist. Weil sie Zweifel an den Motiven impliziert. Weil sie unangenehm ist. Häufig stelle ich sie trotzdem, in Watte verpackt und mit Zuckerguss und raus kommt dann sowas wie „Ich habe verstanden was du tun willst und wie du vorgehen möchtest, aber wie lautet deine konkrete Forschungsfrage?“. Ob ich nun eine Antwort bekomme oder nicht, ich hoffe es impliziert zumindest ein wenig Selbstreflexion.
Als ich mich im Studium auf meine mündliche Abschlussprüfung vorbereitet habe, es ging tief in die Quantenchemie hinein, habe ich mich auch mal mit Literatur links und rechts des üblichen Feldes beschäftigt. Nachhaltig geprägt hat mich dabei Gary Zukavs „Die tanzenden Wu-Li Meister“, ein Werk das mal einen etwas anderen Zugang zum Thema bietet. Streckenweise ist es etwas spirituell, sollte man schon mit dem nötigen kritischen Blick daran gehen. Fasziniert hat mich jedoch das Konzept des „Shoshin„, entlehnt aus dem Zen-Buddhismus. Letztendlich bedeutet es, sich Offenheit zu erhalten, den Blick eines Kindes, den Blick eines Anfängers. Wären einige kluge Köpfe des vergangenen Jahrhunderts nicht genau dieser Philosophie gefolgt, bewusst oder unbewusst, hätten sie nicht mal all die Regeln der klassischen Physik im weitesten Sinne vergessen und die subatomare Ebene mal mit völlig unbefangenen Augen betrachtet würde die Quantenphysik heute nicht da stehen wo sie steht. Und ein kluges Kind fragt immer nach dem Warum.

Letzten Endes ist die Frage nach dem Warum eine, auf die insbesondere wir in der Wissenschaft immer eine Antwort parat haben sollten. Nicht nur, um die Neugier anderer zu befriedigen, sondern auch und vor Allem, weil es uns zwingt unsere Arbeit zu reflektieren, die richtigen Fragen zu stellen und im Zweifel auch mal innezuhalten, drei Schritte zurückzugehen und unsere Arbeit mit dem Blick eines Außenstehenden zu betrachten.

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